Text zu den Kille-Drucken „Bach-Bild“

Ein Bach-Bild

Johann Sebastian Bach war für die Stadtoberen Leipzigs bei der Vergabe der Stelle des Thomaskantors nur dritte Wahl. Er war also zu Lebzeiten durchaus nicht anerkannt als der universale Geist, der er war. Was für sie Gebrauchsmusik war, um die Ordnung und Das Machtgefüge in administrativer und liturgischer Hinsicht aufrecht zu erhalten, war für ihn innigster Ausdruck seines Glaubens und Lebensinhalt.


Wahrscheinlich machte Bach, ähnlich wie Luther, die Juden für den Kreuzestod des Erlösers verantwortlich. Dass er in jungen Jahren zu Fuß nach Lübeck pilgerte, um Meister Buxtehude an der Orgel zu hören, seine Auszeit überzog und Anstellungspflichten vernachlässigte, brachte ihm eine Gefängnisstrafe ein.Seine Notenbibliothek beinhaltete Sammlungen und Abschriften der profiliertesten Komponisten sowohl des italienischen als auch des französichen Stils und weist ihn im Studium der zeitgenössischen Tonkunst als Kosmopoliten aus. Obwohl sein Leben mit dramatischen Einschlägen von Krankheit und Tod überschattet war, verlässt ihn der Glaube - das Licht des Glaubens, wie es in seiner Musik mathematisch konstruiert wahrhaft leuchtet - an den Gekreuzigten und vom Tode auferstandenen Christus vermutlich nie.


Der Holzschnitt geht auf Haussmanns Portrait J.S. Bachs zurück und ist „mit dem gestirnten Himmel über“ ihm ins Blatt gesetzt, so das Universum und damit den universalen Geist Bachs andeutend.
Er ist in drei Farben gedruckt: schwarz, rot, gelb. Man könnte auch sagen: schwarz, rot, gold. Dahinter steckt der stille Protest,dass die republikanische Flagge der Revolution von 1848 ungehindert von faschistoiden Bewegungen und Hass schürenden Hetzern instrumentalisiert und das gleichwohl hoheitliche Staatszeichen der Bundesrepublik so auf unerträgliche Weise immer unverfrorener missbraucht wird. Unwohl erinnert man sich an das verlogene „Sommermärchen“ (Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland 2006), bei dem dieses exzessive Fahnenschwenken salonfähig gemacht wurde. Ihnen soll das Symbol einer freien demokratischen Gesellschaft, die immer mit hohem Blutzoll erkämpft wurde, nicht länger überlassen bleiben. Die Fahne muss wieder mit dem verbunden werden, mit dem sie verbunden ist: dem geistigen Gehalt, der aus der Sehnsucht nach Freiheit hervorging.


Die Geistesgrößen haben das Zeug, den Ländern, dem Kontinent, der Welt nicht nur zur Zierde zu gereichen, sondern Kunst und Kultur mit Leben und Inhalt zu füllen. Sie können die Grenzen und Mauern in den Köpfen durch Gefühls- und Verstandestiefe ersetzen. Würde man sich mit ihnen und ihrem Werk beschäftigen, könnte man nicht nur in historischer Perspektive in die zu kombinierenden Bereiche „Poesie und Politik“ eintauchen, und erkennend und bereichert mit vielen weiteren Fragen daraus hervorgehen.


16.09.2023 Harald Kille©