Texte über Kunst und Politik

Kitsch und Gewalt (2019)

Kitsch und Gewalt – eine Janus-gesichtige Konstellation

In Mexiko wird eine Telenovela über eine schwule Liebesgeschichte gedreht, obwohl nicht nur in Mexiko die Gewalt gegen Homosexuelle drastisch zunimmt, sondern weltweit propagandistisch immer mehr eingefordert und angefacht wird. Kann man sich diese Raub- und Mörderbanden vorstellen, die das Land verheeren, wie sie, nachdem sie Jagd auf Frauen, Kinder, Männer, Schwule, Lesben, kleine Handeltreibende, die keine Abgaben zahlen (konnten), schlicht auf alles, was sich bewegt, machten – wie sie nach getaner Arbeit vor dieser Fernsehsoap sitzen – und herzzerreißend im Kitsch baden? Man kann. Natürlich ist sie hauptsächlich zur Einlullung des braven Volks produziert, aber wer steht dem braven Volk näher als die einfache Mafia, wenn seine Regierung dem Geldmarkt und den Investoren nahe steht (zum Beispiel Obrador und BlackRock – und zwar schon vor seiner Wahl zum „sozialistischen“ Präsidenten). ...

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Der Anti-Trendsetter (2020)

Die neue Unübersichtlichkeit, die neue Nicht-Offensichtlichkeit

Trotz aller inflationärer Kunstproduktion gibt es wahrscheinlich recht wenig wirkliche Kunst. Wirkliche Kunst?  Gleich seelenvolle Kunst, Kunst ohne Kompromisse. „Was ist das für ein althergebrachter Kunstbegriff?“ mag sich der Trendsetter fragen – und wird damit Recht haben.

Ohne Seele keine Stele.
Ohne Begriff kein Pfiff.
Ohne Alter kein Psalter.
Ohne Verwalter kein Schalter.
Ohne Schlachthaus keine Haftpflichtversicherung.
Ohne Spekulanten keine Umwelthilfe.

 

Natürlich ist es nicht neu, dass wir von Bildern überflutet werden. Natürlich ist es nicht neu, dass eine Auswahl aus den Bildern Not täte, aber kaum geleistet werden kann. ...

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Der Propagandist? – Der Antipropagandist! (2020)

Dass Kunst reine Propaganda sei, würde sich dann auch auf die Abstraktion oder die Konstruktion beziehen, als Propagandistin der reinen Form, die des Menschen Wahrnehmung, und dadurch ihn selbst, verändert, oder einer mehr oder weniger spekulativen Spiritualität, die, in ihr angelegt, uns der Schicksalshaftigkeit des Seins enthebt. Demnach hätte also jede Form von Kunst, so „rein“ sie auch sei, einen außerhalb von ihr liegenden Inhalt, wofür sie stellvertretend kämpft oder eintritt. Der Vorwurf, der figürliche, gegenständliche Künstler sei immer propagandistisch anwendbar; der abstrakt oder konzeptionell arbeitende befinde sich dagegen in einer Sphäre der Reinheit, Unabhängigkeit von „kunstexternen Inhalten“, hätte so endlich ausgedient. ...

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Malerei nach Jackson Pollock (2019)

Geschichtete KALLIGRAPHIE, durch die ein universeller Raum entsteht, in den aber die menschliche Figur eingeschrieben ist, so wie sie dies auch in chinesischen und japanischen Schriftzeichen fragmentarisch und additiv eingeschrieben ist.

 

Die Frage nach der Freiheit in der Kunst stellt sich jetzt anders als Ende der 50er Jahre, als Pollock starb und ich geboren wurde. Pollocks Befreiung lag in einer, sagen wir, kalligraphischen all-over-Behandlung der Leinwände. Das sah der Kunstmarkt so und deklarierte ihn als ausgebrannt, als er wieder zur Figürlichkeit zurückkehrte (von der er sich nie verabschiedet hatte). Er sagte generell, dass aus dem unterbewussten Vorgang immer zwangsläufig die Figur auftaucht (siehe Brice Mardens Entrüstung und Richtigstellung dieses Sachverhalts in „Cold Mountain“). ...

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Der Dichter Watteau (2019)

Er sei in Sentimentalitäten verstrickt, könnte man zunächst denken, aber es handelt sich um tiefes Mitgefühl kombiniert mit Ironie - um Melancholie der musikalischsten Art. Man könnte denken, es handelte sich um amouröse Anekdoten, doch handelt es sich auch um Schmerz und Peinlichkeiten, die einem jeden Auf-Erden-Wandler unterläuft, die ihn aber von der tödlichen Falle der Perfektion und sterilen Aufgeräumtheit befreit. Er ist ein freier Schicksalsergebener, der unbedarft und offenherzig spielerisch in sein Verhängnis taumelt, aber nie vollständig sein Vertrauen an eine ihm doch gleichmütig bergende Welt verliert. Eine ungerührt umhüllende Natur scheint vom Ansturm der Gefühle einer galanten, etwas naiven Reisegesellschaft geformt - und wölbt sich, Licht und Schatten spendend, über ein aus der Zeit gefallenes Geschehen.

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Der Vermeer-Vergleich (2019)

Auf den ersten Blick erscheinen meine und Vermeers Bilder natürlich als absolute Gegensätze. Hier eine heile, intakte, geschützte Innenansicht einer bürgerlichen Welt – dort eine aufgewühlte, aus den Fugen geratene, verwundete Malerei über eine spekulative Wirklichkeit. Hier die vermeintliche Glätte einer idyllischen Ordnung, dort die verschorfte, aufgerissene Oberfläche einer scheinbar chaotischen Expression. Hier die Stille eines abgeklärten Raums, dort die Unruhe einer unübersichtlichen Sachlage hinter einer brutalistischen Materialschlacht. Hier der Mensch in einem poetischen Interieur, der poetische Mensch in seinem Alltag, seine alltäglichen Verrichtungen stehen still. Wie in einem Dornröschenschlaf erkennen wir Professionen und Stände. Dort der Mensch in der Masse, in der Willkür der Macht. Demagogie, Demonstrationen, Aufruhr, parlamentarische Vorgänge; Industrie, Wirtschaft, Management; Militär, Paraden, Märsche; König, Klerus, Adel, Krieger. Eine „überladene“ Historienmalerei, die niemand bestellt hat, also ohne Auftraggeber, der die Geschichtsschreibung bestimmt, entsteht – gegen die Reduktion des privilegierten und dadurch poetisch geadelten Alltags: es scheint kein größerer Gegensatz denkbar.

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